"Nachhaltigkeit ist kein Trend, sie ist unsere verdammte Pflicht!"

Befragt zu seinen persönlichen Herzensanliegen in Sachen Nachhaltigkeit, findet Robert Schmid, Gesellschafter der Baumit Gruppe und Umweltsprecher der Sparte Industrie in der Kammer in Österreich, klare Worte.
Nachhaltigkeit gelingt dann, wenn man einen Haken unter ihre drei Säulen machen kann: Soziales, Ökologie und Ökonomie.

Der Industrie wird schnell einmal unterstellt, dass sie Fortschritte im Umweltschutz und bei der Ressourcen- und Energieeffizienz verhindert. Können Sie dieses Vorurteil entkräften?

Robert Schmid: Ob ich das entkräften kann? Ja. Mit einer ganz klaren Haltung. Nachhaltigkeit ist das Wichtigste und Notwendigste für ein Familienunternehmen, das  sich entwickeln möchte. Da heißt es stets auf Menschen, Umgebung und Rohstoffe zu schauen. Und dann muss man auch noch Gewinn machen, damit man besteht. 
Wichtig ist vor allem, dass alle drei Säulen – Soziales, Ökologie und Ökonomie – gleichwertig sind. Ein ökologischer Fortschritt muss also sozial verantwortungsvoll sein und dann auch noch wirtschaftlich verträglich. Nur so kann man im internationalen Standortwettbewerb auch in Zukunft erfolgreich sein.

Sie setzen schon lange auf Nachhaltigkeit. Seit 2017 gibt es die verpflichtende Berichterstattung zur Nachhaltigkeit. Wird das bei der Erreichung der Klimaziele helfen?

Bei der Erreichung der Klimaziele wird nur Nachhaltigkeit helfen, die auch gelebt wird. Wie bei Baumit seit fast 100 Jahren über Generationen hinweg. Ich musste erkennen, dass die schönsten Berichte von jenen geschrieben werden, denen Nachhaltigkeit kein Anliegen ist. Papier ist geduldig. Das bin ich nicht. Wir bei Baumit setzen auf Taten. Unsere Produkte werden in der Region verkauft, sehr lange genutzt und sind am Ende ihres Gebrauchs gut recycelbar. Upcycling und nicht Downcycling ist dabei unser mittelfristiges Ziel.

Geht der Baubranche nicht langfristig die Arbeit aus, wenn jetzt nachhaltig gebaut wird?

Die Dinge sollen heute lange halten und am Ende soll ein Upcycling möglich sein. Das ist gut, und keine Bedrohung für die Baubranche. Von Kindheitstagen an begleitet mich ein Spruch: Wenn der Mensch aufhört zu bauen, hört er auf zu leben. Und das hat sich für mich bewahrheitet. Das Erschaffen von neuen Dingen liegt in der Natur des Menschen. Er tut es, so lange Ressourcen da sind. Auch Bestehendes wird zur Ressource. Es gibt Zeiten für Neubau, wenn die Bevölkerung wächst. Hier braucht man Material. Es gibt Zeiten für Sanierung, in der mehr Arbeitskraft gefragt ist. Stellen Sie sich vor, ein altes Haus wird zur Rohstoffquelle. Wie viel Innovationspotenzial darin liegt! Dafür muss man Erfahrungen sammeln, ganz anders bauen, die Materialien anders behandeln, neue Rezepturen finden. Nachhaltiges Bauen macht das Thema viel, spannender, als es bisher war.

Den Go2morrow Recycling Beton aus 100% recycelter Körnung gibt es aktuell nur in zwei Ländern. Bedienen Sie hier einen kurzfristigen Trend oder fahren Sie 
ein langfristiges Konzept, bei dem das Haus der Steinbruch von morgen wird?

Beim Go2morrow Recycling Beton haben wir die Pflicht übersprungen und sind gleich zur Kür übergegangen. Beton aus 100% recycelter Körnung! Natürlich sind wir stolz, dass uns das gelungen ist. Aber dafür ist der Markt noch nicht reif. 10%, 20%, 30% recycelte Körnung in Produkte hineinzubringen, ist genug für heute. Wir haben noch nicht genügend Material mit dem Potenzial zur Wiederverwertbarkeit. Doch der Weg ist der richtige. Ressourcenschonung ist ein absolutes Muss in der Zukunft. Wenn wir von Wirtschaftswachstum reden, müssen wir von Qualität, und nicht von Quantität sprechen. Es geht um bessere Qualität.

Als ein führender WDVS-Hersteller in Europa reduziert Baumit mit jedem Quadratmeter gedämmter Fassade den CO2-Fußabdruck. Warum macht das nicht Schlagzeilen?

Ich denke es liegt daran, dass Wärmedämmung schon so selbstverständlich für uns ist. Und auch daran, dass ein WDVS  als Produkt zu einfach ist. Es ist einfach und einfach genial. Denn es kann nicht oft genug gesagt werden: Die einzig saubere Energie ist die nicht verbrauchte Energie. Und genau das ist das Wirkungsprinzip des WDVS. Ziel muss es also sein, Maßnahmen zu setzen, die den Energieverbrauch reduzieren - nicht einfach nur den Energieverbrauch. Das ist ein ganz anderer Blickwinkel. Sparen, aber ohne Komfortverlust, sogar mit Lebensqualitätsgewinn! Ein WDVS ist ein Musterbeispiel für Nachhaltigkeit beim energetisch optimierten Bauen: Denn es rechnet sich für Umwelt, Geldbörse und das Wohlbefinden des Menschen - das heißt, wir können einen Haken unter jede Säule setzen.

Langfristiges, sicheres Wachstum – diese Strategie verfolgt Baumit von der Stunde der Gründung an. Der umsichtige Umgang mit Ressourcen prägt das Unternehmen. Warum ist man diesem Weg so konsequent gefolgt?

Langfristigkeit ist ein Teil der Nachhaltigkeit und damit auch Teil der Baumit-Geschichte. 1957 wurde in Wopfing der weltweit erste Gleichstrom-Gegenstrom-Regenerativ-Ofen (GGR-Ofen) mit 2 Schächten gebaut und eingesetzt. Auch damals schon waren wir Pioniere bei der Nachnutzung und Wiedernutzung von Energie und der beim Brennen entstehenden Wärme. Auch unser Zementwerk ist nur gebaut worden, um die feinen Steine, die zum Kalkbrennen nicht gebraucht wurden, nicht wegzuwerfen. Also nutzen wir sie, um Zement herzustellen. Aus Abfall einen Wertstoff zu machen, ist Kreislaufwirtschaft aus der Urzeit. Mit Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen, war schon immer unser Weg.

Die Pandemie hat auch für die Baubranche Herausforderungen gebracht.
Was war das größte Learning der letzten Jahre?

Viele Menschen besinnen sich auf den Wert des eigenen Heimes. Man hat das Zuhause "wiederentdeckt", natürlich auch, weil man gezwungen war, viel Zeit in den eigenen vier Wänden zu verbringen.
Plötzlich war es mehr wert, Geld in sein Zuhause zu stecken. Man hat es sich schön gemacht daheim. Und uns ist wieder bewusst geworden, wie gut es uns als Baustoffhersteller geht. Denn wir haben alles regional zur Verfügung. Unsere Rohstoffe, unsere Partner, unsere Kunden. Wir sind Nahversorger, und 
das in allen unseren Ländern.

Bei der Erreichung der Klimaziele ist auch die Abfallvermeidung ein großes Thema, denn CO2 wird sowohl bei der Herstellung der Produkte als auch bei ihrer Entsorgung freigesetzt. Gibt es hier Innovationen, mit denen Baumit für Nachhaltigkeit eine Lanze bricht?

Für mich ganz klar der Baumit ALL IN Beton. Der Sack löst sich einfach auf und wird zum Teil des Produkts. Das Erste, was den Leuten dazu einfällt, ist das, was man damit alles einspart. „Einsparen“ finde ich aber nicht passend hier. "Wertschöpfend" ist der bessere Ausdruck. Der Sack ist nicht nur Verpackung, sondern auch Rezeptur und Produkt! Diese Innovation ist ein Paradebeispiel für gelungene Nachhaltigkeit, hier profitieren alle drei Säulen. Sozial, denn der Mensch ist beim Verarbeiten einer geringeren Staubbelastung ausgesetzt, er muss sich weniger anstrengen und schont seine Gesundheit. 
Ökologisch, weil wir hier keinen Abfall erzeugen. Und ökonomisch, weil eine Entsorgung Geld gekostet hätte. Ein Produkt, das sich ein Häkchen unter allen Säulen holt, hat großes Potenzial, erfolgreich zu werden. Hier dürfen wir ruhig größer und an eine Weiterentwicklung denken, denn im Baumit ALL IN Beton steckt eine Philosophie: Die Verpackung bringt für die Kunden einen Zusatznutzen im positiven Sinn. Ein spannender Auftrag für die Zukunft. Sie sehen, der Baubranche wird die Arbeit nicht so schnell ausgehen!